Leitartikel
Einsparungs-potenziale bei Bauwerkskosten
Von Andreas Kropik, Professor für Bauwirtschaft und Baumanagement an der TU Wien,
und Robert Rosenberger, Geschäftssstelle Bau Wien
Kostentreiber am Prü̈fstand. Eine Studie im Auftrag der Bundesinnung Bau zeigt Potenziale zur Kostenreduktion bei Gebä̈uden auf. Die Palette der Kostentreiber ist vielfä̈ltig. Es mü̈sste an mehreren Schrauben gedreht werden.
Die Errichtungskosten von Bauwerken sind zuletzt stark gestiegen. Neben der inflationsbedingten
Kostenentwicklung bestehen projektspezifische und unausweichliche Kostentreiber. Funktionale und architektonische Anforde- rungen oder das Beduürfnis nach großzü̈gigen Flä̈chen und hoher Qualitaät zä̈hlen zu den projektspezifischen Kostentreibern.
Die von Univ.-Prof. Andreas Kropik (TU Wien) im Auftrag der Bundesinnung Bau erstellte Studie beschä̈ftigt sich vor allem mit den unausweichlichen Kostentreibern, welche von ö̈ffentlich-rechtlichen Bauvorschriften, aber auch von Normen und Richtlinien ausgehen. Nicht zuletzt erhöht auch das Denken in Lebenszyklen die Baukosten: Hö̈here Bauwerkskosten sollen zu geringeren Folgekosten (z.B. Betriebskosten) fü̈hren.
Die Weiterentwicklung von technischen Regeln schafft meistens einen hö̈heren zu erfü̈llenden Standard und bringt selten Ansä̈tze fü̈r Kosteneinsparungen. Manifestiert werden die Anforderungen vor allem in den Bauvorschriften der Bundesländer, den OIB-Richtlinien, Wohnbauförderungsgesetzen, nationalen (Ö-̈Normen) und internationalen Normen (CEN/ISO) oder der EU-Gebä̈uderichtlinie.
Neue Studie
Die Themen Deregulierung sowie Leistbares Bauen und Wohnen beschä̈ftigen Baubranche, Politik und Ö̈ffentlichkeit seit vielen Jahren. Zwecks Schaffung eines aktuellen Ü̈berblicks ü̈ber Einsparungs- potenziale hat die Bundesinnung Bau diese Studie beauftragt. Sie liefert im ersten Teil allgemeine wirtschaftliche Erkenntnisse, bringt danach einen Ü̈berblick uüber die Kernaussagen vergleichbarer Studien und Expertisen, um sich im Hauptteil den Bauvorschriften zuzuwenden.
Kaufkraftverlust
Zu Beginn der Studie wird die Entwicklung der Kaufkraft in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren beschrieben. Nach einer jahr- zehntelangen Periode steigender Kaufkraft – mit dem durchschnittlichen Einkommen konnte man sich die Errichtung von immer mehr Fläche leisten – kippte dieser Trend um die Jahrtausendwende. Diese Entwicklung, und zusätzlich noch die steigenden Grundstückspreise, sind ein besorgniserregendes Signal für die Errichtung und Finanzierbarkeit künftiger Bau- und Wohnbauprojekte.
Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, können sich Durchschnittsverdiener mit ihrem Einkommen immer weniger Quadratmeter an Wohnnutzfläche leisten, bzw. werden auch Büro-, Gewerbe- und Industriebauten überdurchschnittlich teurer, worunter die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft leidet.
Kostentreiber
Praktisch alle Untersuchungen zu kostengünstigem Bauen und leistbarem Wohnen kommen zum Ergebnis, dass sich das Bauen durch die laufend erhöhten Anforderungen von Baurecht, Normen und Richtlinien erheblich verteuert hat. Beim Einsparen von Baukosten ist eine Interessensabwägung nötig. Bereits mit einer kritischen Hinterfragung der Ansprüche könnten teils erhebliche Einsparungen erzielt werden. Einsparungen sind jedoch – allen vorliegenden Studien zum Trotz – seitens der Politik meistens nicht gefragt, sondern stets scheint das Ziel zu sein, wie es noch „besser“ machbar wäre.
Einsparungspotenziale
Einsparungspotenziale finden sich auf mehreren Ebenen. Dazu zählen übergeordnete Maßnahmen wie Bauvorschriften, EU-Vorgaben oder Normen ebenso wie Maßnahmen im Detail (z.B. Mindestflächen, Stellplätze oder Aufzüge) oder Maßnahmen bei individuellen Einzelprojekten. Nachfolgend sind beispielhaft einzelne Maßnahmen-Vorschläge herausgegriffen.
1) Übergeordnete Maßnahmen
• Vereinheitlichung der Bauvorschriften: Dabei handelt es sich um eine jahrzehntelange Forderung der Bauwirtschaft, die im Bereich der Technik mit den OIB-Richtlinien ansatzweise umgesetzt wurde. Dennoch sind die Bauordnungen alle unterschiedlich aufgebaut und verwenden auch unterschiedliche Begriffe.
• Schaffung einer Musterbauordnung: Wenn die Landeskompetenz im Bereich des Baurechts behalten werden soll, könnte zumindest eine Musterbauordnung nach deutschem Vorbild geschaffen werden, an die sich alle Bundesländer halten müssen. Dann wären z. B. Mindesthöhen von Räumen in allen Landesbauordnungen im gleichen Paragrafen geregelt.
• Umdenken bei Standards:
Wenn Grenzen im Sinne von Mindeststandards gesetzt werden, sollten diese keine Wunschstandards sein. Mindeststandards sollten nur das absolut Notwendige regeln und nicht den Idealzustand aus Sicht von Experten wiedergeben. Generell sollten Standards hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Kosten- verursachung stets hinterfragt und evaluiert werden.
• Stabilität: Ein langfristig stabiles, rechtliches und technisches Umfeld ist wichtig für die Planungssicherheit. Änderungen von Bauordnungen sollten nur vollzogen werden, wenn sie unbedingt notwendig sind, Novellen sollten in möglichst langen Abständen erfolgen.
• Kein „Golden Plating“:
Als Grundprinzip muss stets gelten, dass Europarechtliche Vorgaben nicht übererfüllt werden sollen. Jede „Fleißaufgabe“ ist in der Regel mit erhöhten Kosten verbunden, die andere Mitgliedsländer nicht treffen, wenn sie sich genau an die Vorgaben halten.
2) Maßnahmen in den Bauordnungen
Folgende Maßnahmen in den Bauordnungen könnten angedacht werden und sind nur als Beispiele zu verstehen:
- Entfall von Mindestflächenvorgaben und Vorgaben für Einzelraäume (z. B. Vorzimmer oder WCs)
- Individualisierung der Mindestabmessungen von Gängen, Stiegenhäusern und Fluchtwegen
- Evaluierung der verpflichtenden Stellplatzzahl für PKW und Fahrräder
- Evaluierung der verpflichtenden Stellplatzgröße
- Reduktion der minimalen lichten Raumhöhe auf 2,40 m (im Wohnungsbau), mehr Flexibilität im Dachgeschoß
- Verpflichtende Aufzugsanlage bei Wohngebäuden erst bei mehr als vier oberirdischen Geschoßen (Akzeptanz der Harmonisierungsgrundlage)
- Angemessene Anforderungen an die Anzahl und an die Ausstattung barrierefreier Wohnungen bzw. Gebäude
Bei jedem dieser Punkte wird schnell klar, dass einer Änderung zumeist gesellschaftliche Zwä̈nge (z. B. Komfort, Sicherheit oder Inklusion) entgegenstehen.
3) Projektspezifische Maßnahmen:
Nicht nur allgemeingültige Regeln bergen Einsparungspotenziale in sich. Auch mit selbst auferlegten und individuellen Vorgaben für Einzelprojekte können Kosten be- einflusst werden. Nachfolgend einige Beispiele:
- Verwendung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, die einen freien und ausreichend lebhaften Wettbewerb ermöglichen.
- Verwendung fairer Vertragsbedingungen, die zu keinen unkalkulierbaren Risikoaufschlägen führen.
- Beachtung von Wirtschaftlichkeitsparametern bei der Planung und auch im Rahmen von Architekturwettbewerben.
- Maßvolle Gebäudeausstattung.
Wer kann etwas tun?
- Landesgesetzgeber: Bauordnungen bzw. Bauvorschriften unterliegen der Landesgesetzgebung. Die Empfehlung, zu einem weitgehend baurechtlich einheitlichen Rahmen zu gelangen, ist bereits eine alte Forderung, zu deren Umsetzung es eines gemeinsamen politischen Willens bedarf. Die Umsetzung gelingt nur im Konsens mit allen Bundesländern. Deutschland, mit mehr Ländern als Österreich, zeigt, dass eine weitgehende Harmonisierung des länderspezifischen Baurechts möglich ist.
- OIB – Institut für Bautechnik: Das Österreichische Institut für Bautechnik (OIB) ist ein wichtiger Einflussgeber für die technischen Bauvorschriften. Die im OIB gesetzten Standards sollten regelmäßig mit dem Fokus auf Mindeststandards evaluiert werden. Die Umsetzung der OIB-Richtlinien ist den Landesgesetzgebern vorbehalten, wobei Abweichungen grund-sätzlich möglich, aber nicht im Sinne der österreichweiten Harmonisierung der Bauvorschriften sind.
- Normenausschüsse: Ein Großteil der technischen Normen wird nicht dezidiert über einen Verweis, sondern über die verpflichtende Beachtung des Stands der Technik indirekt Teil des Baurechts. Bei der Normenarbeit sollten generell die finanziellen Auswirkungen von neuen Regelungen verpflichtend geprüft werden müssen.


Zusammenfassung
Die Studie zeigt, dass es eine Reihe von Einsparungspotenzialen gibt. Diese finden sich z.B. im Baurecht der Länder, in Normen, OIB-Richtlinien oder in der Gestaltung von Einzelprojekten. Es gibt keine eindeutige Gruppe von „Übeltätern“, sondern die vorliegende Regelungsdichte ist die Summe aus vielen einzelnen, gewachsenen und jeweils bei der Entstehung „gut gemeinten“ Maßnahmen.
Will man eine Kostenentlastung erreichen, braucht es ein breitflächiges, neues Kostenbewusstsein bei allen Bauregulativen, sowohl im rechtlichen wie auch im technischen Bereich.
Die Bundesinnung Bau wird sich weiterhin dafür einsetzen, den Dialog mit den Entscheidungsträgern im Sinne einer Senkung der Bauwerkskosten voranzutreiben.